Wenn sich Inhalte in der digitalen Welt verbreiten sollen, so benötigen sie dazu vor allem eines: Aufmerksamkeit. Die bekommen sie, indem möglichst viele über sie und mit ihnen interagieren. Die Algorithmen im Netz und in Social Media sind so eingerichtet, dass etwas als umso wichtiger eingestuft wird, je mehr Aufmerksamkeit es bekommt. Umso eher erscheint es in den Nachrichtenströmen weiterer Menschen, die dann wiederum durch ihre Interaktion diesen Prozess verstärken können. Steigt auf diese Weise die Reichweite eines Inhalts immer weiter, dann „geht er viral“ (er verbreitet sich immer weiter wie ein Virus).
Was bedeutet Aufmerksamkeit?
Aufmerksamkeit im digitalen Raum kann folgendes sein:
- Likes oder sonstige nonverbale Reaktionen via Interaktionsbuttons (Reactions in Facebook, faven in Twitter, Herz in Instagram etc.)
- Kommentieren
- Teilen (Weitersagen)
- innerhalb von Social Media (Facebook-Beitrag ins eigene Profil teilen, Twitterbeitrag retweeten, von einem Netzwerk ins andere teilen etc.)
- von Websites/Blogs nach Social Media
- via Messengerdienst (Whatsapp, Privatnachrichten etc.)
- via Tagging (andere markieren, um sie auf etwas aufmerksam zu machen)
- Verlinken/Einbetten in Websites/Blogs
- Folgen/Abonnieren/Befreunden von Absendern
- Klicks (also Aufrufe)
Also jede Art von digitaler Bezugnahme auf einen Inhalt oder Absender. Und das egal ob diese Bezugnahme positiv oder negativ ist! Je öfter auf etwas verlinkt Bezug genommen wird, umso mehr steigt es in der Wichtigkeit, die ihm die Algorithmen beimessen, und damit seine Reichweite.
Wer also einen Beitrag empört kommentiert oder schimpfend weitersagt, der schenkt ihm genauso Aufmerksamkeit, wie jemand der etwas mit Gefällt mir versieht, oder begeistert teilt. In beiden Fällen wird die Reichweite des Beitrags erhöht, egal ob man sich über etwas aufregt, oder es weiterempfiehlt. Viele wissen das nicht und verhelfen so ungewollt Inhalten zu mehr Verbreitung, für die sie eigentlich das Gegenteil erreichen möchten.
Erfahrene Marketing- und PR-Strategen wissen diese Mechanismen für sich zu nutzen und kreieren Inhalte bewusst so, dass sie Emotionen schüren, wohlwissend, dass sie damit die Zahl der Interaktionen und die Reichweite hochtreiben.
Ob Plattformen, die sowohl positive als auch negative Reaktionsmöglichkeiten bieten, diese auch inhaltlich für den Algorithmus differenzieren, ist mir bisher nicht bekannt. Laut einer Untersuchung von Fanpagekarma* hatten die verschiedenen Reactions auf Facebook kurz nach deren Einführung zwar durchaus verschiedene Auswirkungen auf das Nutzerverhalten, Facebook selbst differenzierte damals aber nach eigenen Aussagen hinsichtlich des Algorithmus nicht nach Art der Interaktion. Es geht also einfach um Aufmerksamkeit an sich, denn je mehr Aufmerksamkeit etwas bekommt, umso mehr Daten lassen sich dabei sammeln, und Daten sind die eigentliche digitale Währung, mit der sich Geld verdienen lässt.
Was kann ich tun?
Gute Frage! Es kann nicht die Lösung sein, sich über Beiträge und Quellen, die man als negativ erachtet, gar nicht mehr zu informieren. Die Aufmerksamkeit via Klick wird sich also schwer vermeiden lassen. Aber mit der Art der Reaktion darauf, kann ich eine Sache eben befördern oder ausbremsen.
Ich kann dadurch, dass ich nicht weiter mit einem Beitrag interagiere und ihn nicht teile schon mal die Weitersagekette unterbrechen und so mein Zutun zu steigender Reichweite verweigern. Handelt es sich außerdem um rechtsverletzende und/oder gegen Plattform-Regeln verstoßende Inhalte oder Absender, kann ich diese auch melden bzw. zur Anzeige bringen. Möchte ich andere darauf aufmerksam machen, kann ich dies auch ohne Verlinkung tun, indem ich z.B. einen Screenshot poste und nur beschreibe, woher er stammt.
Umgekehrt kann ich Beiträgen und Absendern, die positive, befördernswerte Inhalte haben, durch Interaktion und Weitersagen, Verlinkung in Mails und in Messengerdiensten eine größere Reichweite verschaffen. Dabei sollte ich auch die jeweilige Quelle taggen/markieren und damit den Absender gleich doppelt empfehlen.
In der Praxis ist es natürlich nicht immer so klar abgrenzbar, zu welcher Kategorie ein Beitrag gehört. Deshalb sei hier noch einmal explizit auf die Quelle hingewiesen: Handelt es sich um einen Absender, den ich befürworte, oder postet da jemand, dem ich keine zusätzliche Reichweite verschaffen möchte? Wem helfe oder schade ich, wenn ich diesem Inhalt Aufmerksamkeit schenke?
Fazit
DIE perfekte Vorgehensweise gibt es nicht. Sicher gibt es auch Beiträge, die man mit Widerspruch kommentieren sollte. Es wäre allerdings mal interessant zu sehen, welche Reaktionsweise stärkere Wirkung zeigt. Gibt es dazu schon Untersuchungen?
Mit dem Wissen um die o.g. Mechanismen kann man aber zumindest einen ersten Schritt zu einer bewussteren Internet-Nutzung machen. Wie man dann im Einzelfall reagiert, bleibt eine Sache der Abwägung.
Welche Tipps oder Anmerkungen habt Ihr zu diesem Thema? Wie macht Ihr das bei Eurem Weg durchs Web?
*Danke an Jens Wiese für den Hinweis auf die Fanpagekarmastudie!
Foto: Thomas B., Pixabay